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ncc48 - netART community congress     Personen     Ulli Meybohm     Statement
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Thema "opensource / free software"
 
Statement
Ich bin kein Theoretiker! Ich werde keine Vorträge halten über irgendwelche Theorien, Modelle usw. Ich bin auch kein "Experte". Ich habe freie Software programmiert und mich mit der Philosophie, die dahinter steckt beschäftigt. Es geht mir um die ethischen Grundlagen, die damit zusammenhängen. Wie auch Richard Stallman halte ich nichts von der "Open-Source" Bewegung oder irgendwelchen Theorien, dass offene Projekte alleine wegen ihrer Offenheit geschlossenen Projekten überlegen sind. Das ist Quatsch. Es geht primär um Freiheit der Benutzer. Ausserdem ist die Qualität des Projekts entscheidend von den produktiv mitarbeitenden Personen abhängig. Offene oder geschlossene Modelle ändern da wenig, ausser, dass bei offenen/freien Modellen jedermann die Quellen nehmen kann und einen getrennten Entwicklungsweg gehen kann. Der grosse Vorteil bei freier Software ist, dass die Quelltexte der Programme offen sind, das heisst, dass Fehler auch von Benutzen aufgespürt werden können, und dass Benutzer auch selbstgestrickte Erweiterungen einschicken können, die dann in den offiziellen Entwicklungsstrang eingebunden werden können. Einer dieser Vorteile, das Auffinden von Fehlern, spielt für Netzkunstprojekte wiederum keine Rolle, da Kunst keine "Fehler" hat. Ich sehe ausserdem nicht so den Zusammenhang zwischen Kunst und "Open Source". Kunst ist etwas Persönliches. Es ist kein mechanisches Gebilde wie Software. Deswegen glaube ich nicht, dass das Modell für Kunst von entscheidender Bedeutung ist. Stellen sie sich vor: 10 Steinhauer arbeiten an einer Figur. Was soll dabei rauskommen? Viele Köche verderben den Brei. Das ist auch bei Software so, deswegen gibt es Projektleiter, die klare Richtlinien rausgeben, was geschaffen werden soll, und wie das auszusehen hat. Auch der Vorteil des Benutzerfeedbacks bei der Softwareentwicklung spielt im Bereich der Kunst keine Rolle. Es wird sich kein Künstler finden, der sein Gedicht abändert, nur weil einem Leser das Ende nicht gefällt. Es wird kein Musiker sein Lied neu komponieren, weil einem Hörer das Lied nicht traurig genug ist.
Was bleibt also vom freien Konzept übrig? Der Verzicht auf das Copyright. Das heisst, dass jedermann das "Kunstwerk" nach belieben abändern kann, und mit Hinweis auf die Änderungen und Originalautor publizieren kann, und das das Kunstwerk kostenlos verteilt werden kann.
 
> "Open Source Modell" mit all seinen Richtlinien ("Open Source Definition")
> als Arbeitsmodell kompatibel für Netzkunst-Projekte?
 
Es gibt schon spezielle freie Lizenzen für Musik und Literatur. Das ist nichts neues. Ein theoretisches "Arbeitsmodell" für freie Software gibt es meines Wissens nicht. Man kann natürlich Projekte wie den Linux-Kernel nehmen, und dass auf Kunstprojekte übertragen. Das Ding bei Kunstprojekten ist allerdings der etwas individuellere Charakter und Struktur. Kunst ist ein weites Feld. Kunst hat keine einheitliche Form wie der Quelltext bei Software.
Ich glaube worauf die zitierte Frage abzielt ist eher, wie man Projekte, an denen mehrere Künstlern mitwirken, verwaltet und organisiert. Das ist aber sehr projektspezifisch, und ich glaube nicht, dass es da möglich ist, da etwas zu standardisieren. Software lässt sich leicht in Module zergliedern, die dann mit genauen Spezifikationen an die einzelnen Programmierer verteilt werden können.
Wie soll das bei Kunst laufen? Welche Kunstformen lassen sich überhaupt in Module zerlegen und so über mehrere Leute verteilen? Auch was Projektergebnisse angeht, ist Zahl der mitwirkenden Künstler nicht proportional zur Qualität des Ergebnisses. Nehmen sie ein Beispiel (vielleicht etwas weit hergeholt). Es gab ein Schachspiel, Kasparov (Weltmeister) gegen den Rest der Welt. Ein Projekt im Internet. Kasparov gewann. Im nachhinein stellte sich heraus, das die Züge der "Rest der Welt" massgeblich von einem Spieler in New York beeinflusst waren. Quantität ist also noch keine Qualität. Viele Autoren nützen nichts, wenn nur wenige den Plan des Projekts verstehen. Bei Kunst ist das noch schwieriger als bei Software, weil es bei Kunst nicht so einfach ist, eine Projektspezifikation wie bei Software zu erstellen.
Ein weiteres Gedankenspiel:
Stellen wir uns ein Projekt vor, in dem verschiedene Musiker über die Welt verteilt einen Song komponieren? Wie soll das ablaufen? Eine Möglichkeit wäre, es gibt jemanden, der den Text schreibt, und eine Grobskizze der Melodie entwirft. Dann schickt er die Ergebnisse an einen erfahrenen Bandleader oder Produzenten. Der gibt meinetwegen einen Taktrythmus in Absprache mit dem Drummer vor, den der Drummer einspielt. Danach spielt der Gitarrist die Grundakkorde ein und der Lead-Gitarrist die Melodie. Genauso wird verfahren mit anderen Instrumenten und dem Gesang. Am Ende hat man ein Lied, das höchst wahrscheinlich emotional so tot ist wie schlechte Popmusik. Eine bekiffte Band könnte in einer Stunde Keller-jam wahrscheinlich ein eindrucksvolleres Ergebnis einspielen. Ausserdem hat man im Internet noch die Übertragungsverzögerung und Probleme mit der Bandbreite. Desweiteren stehen die Projektteilnehmer nicht in persönlicher Beziehung, was sich meiner Meinung nach nur negativ auf das zu schaffende Werk auswirken kann.
Ein weiteres Problem, das dabei auftaucht, ist die Lebendigkeit und Ausdrucksstärke der Kunst, die durch den Computer erstellt und publiziert wird. Ich habe bis jetzt kein Kunstprojekt gesehen, dass mich wirklich beeindruckt hätte. Die Ergebnisse auf der Dokumenta X z.B. waren fast ausschliesslich enttäuschend. Auch einige interaktive Projekte, die mit Beamern projeziert wurden, waren nicht so der Hammer.
Die Frage, die eigentlich entscheidend für die Künstler wäre ist, "wo will man hin", und nicht "wie komme ich ans Ziel". "Was habe ich zu sagen" ist wichtiger als "wie will ich es sagen". Dazu kann ich aber wenig sagen, weil ich mich nicht sehr mit computergestützter Kunst auskenne, und die modernen Entwicklungen nicht richtig verfolge. In dieser Hinsicht bin ich etwas altmodisch. Wenn Projektideen vorliegen, kann ich vielleicht Tips geben, wie man das im Internet realisieren könnte, wie man das Projekt aufziehen könnte, damit mehrere Künstler parallel an dem Projekt arbeiten können. Das kann man aber nur in einem persönlichen Gespräch mit den Künstlern klären.
 
So, dass ist nun das Grobkonzept, dass mir für die Veranstaltung unter den unter "open-source" genannten Fragestellungen einfällt. Das könnte man auch als "Kunstprojekt" oder "Studie" bezeichnen. Wie erstellen der Projektleiter (Sie) und die Mitwirkenden ein Vortrags/Diskussionskozept? Und wäre das ganze nicht einfacher, ohne Internet, bei einem Treffen in einem Cafehaus meinetwegen :-)
Welche Werkzeuge könnten uns bei so einer bescheidenen Aufgabe helfen? Oder ist die Schnittstelle Internet eigentlich völlig ungeeignet? Kann sie persönlichen Kontakt ersetzen?
Das sind auch alles Fragen, die zu klären interessant wäre.
 
Text: Ulli Meybohm



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